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Die Zauberlehrlinge - 2. Szene

 


 

(Das Licht im Direktionsraum wird eingeblendet, der Konferenzraum ist in Halbdunkel gehüllt. Am großen Schreibtisch links Dirk Recker, am kleinen Schreibtisch rechts Gänseblümchen, die an Computer arbeitet. Der Geist und der Erzähler treten auf)

Der Geist:
Als Geist bin ich ein altes Fossil. Als Geist kann ich mir erlauben, altmodisch zu sein und dabei sofort die Behauptung entkräften, die besagt, wir lebten in einer geistlosen Zeit. Ich bin schließlich da. Und alle werden es merken. Nur nicht direkt. Als Geist habe ich so meine Methoden.

Der Erzähler:
Darf ich Ihnen vorstellen: Links sitzt der Dirk Recker, Direktor der Stiftung „No Sense“ und rechts Gänseblümchen, Direktionssekretärin. Sie ist übrigens die einzige, die in diesem Musiktheater singen wird. Außer ganz am Schluss, wo alle in einem trunkenen Bacchanal singend das Todesurteil fällen werden. Alle anderen sind Komponisten und darum Schauspieler. Falls Sie sich fragen, was der Recker gerade macht: Er schnitzt sich zwei Korken so zurecht, dass sie in seine Ohren passen. Das ist ein tägliches Ritual.

Der Geist:
Und das wird es bleiben bis in alle Ewigkeit.

(Beide ab. Gänseblümchen fängt an, eine Vokalise zu singen)

Recker: (nachdem er einige Zeit missmutig zugehört hat, irritiert)
Ich gehe doch nicht zur Arbeit, um Musik zu hören!

Gänseblümchen: (singt)
Entschuldigen Sie vielmals, nehmen Sie`s mir nicht übel! Es ist so ein schöner Tag, ich bin restlos glücklich!

Die Musik hört auf

Recker:
Sie haben wohl einen neuen Freund.

Gänseblümchen: (spricht)
Vielleicht, vielleicht auch nicht.....

Recker:
Oder haben Sie etwa deren mehrere?

Gänseblümchen:
Wieso? Wie meinen Sie?

Recker:
Nun ja, ich meine ja nur. Sie sagen, dass Sie `restlos` glücklich sind.

Gänseblümchen:
Bei einem Mann bleibt immer ein Rest Unglück übrig. Je mehr Männer, umso größer dieser Rest.

Recker:
Dann haben Sie wohl eine neue Freundin?

Gänseblümchen:
Jetzt hören Sie aber auf! Das geht Sie gar nichts an, aber schon rein gar nichts! Das ist privat! Sie sind nur mein Arbeitgeber, merken Sie sich das gefälligst!

Recker: (pikiert)
Schließlich haben Sie angefangen mit dem restlos glücklichen Tag und nicht ich!

Gänseblümchen:
Eine Frau muss manchmal psychisch tief ausatmen. Sie als Chef müssten das doch verstehen. Oder etwa nicht?

Recker:
??????
(zuckt die Schultern und wendet sich seinen Papieren zu. Nach einer Weile, in sich selbst)
Ich versuche doch nur, freundlich zu sein. Aber wenn es unbedingt sein muss, geht es auch anders....

Gänseblümchen:
Ich habe Sie gehört. Das brauchen Sie mir nicht zu sagen! Sie nicht!

Recker:
Ich habe nicht zu Ihnen gesprochen. Beziehen Sie doch nicht schon wieder alles auf sich selbst!

Gänseblümchen:
Sie sind mein Chef, nicht mein Psychotherapeut.

Recker:
Dann nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass auch ein Chef manchmal psychisch tief ausatmen muss. Sie als Sekretärin müssten das doch verstehen.

Die Musik setzt ein

(Gänseblümchen fängt wieder leise an, zu singen. Recker stopft sich die zurecht geschnitzten Korken in die Ohren. Das Licht wechselt in den Konferenzraum)
Während dem Rest der Szene leise Musik im Hintergrund

Mol:
Ich kann die verdammten Tagesordnungspunkte nicht finden. Es ist auch immer ein Saustall hier!

Ponis:
Rufen Sie doch mal bei der Direktion an!

Mol:
Als ob die jemals etwas finden, was wir brauchen! Ich weiß auch, dass die Liste da liegen muss. Hier jedenfalls liegt sie nicht. Es ist auch immer ein Saustall hier!

Ponis:
Regen Sie sich doch nicht so auf! Ich ruf` mal an.

Figana: (murmelnd)
Ich frage mich, welche Assoziationen sie hat, wenn sie den Hörer in der Hand hält.....

Ponis:
Ich habe dich gehört, Figana. Behalte deine schmutzigen Phantasien für dich. So erreichst du sowieso nichts bei mir. Ich bin eine Frau der Tat, damit du`s weißt!
(wählt eine Nummer. Das Telefon im Direktionsraum klingelt)

Gänseblümchen: (im Halbdunkel, singt)
No Sense. Gänseblümchen am Apparat. Guten Tag. Wie geht`s?

Ponis:
Ponis hier. Hör mal, wir haben die Liste mit den Tagesordnungspunkten nicht hier. Ohne die können wir nichts anfangen. Würdest du die Güte haben, mal nachzusehen, ob die noch bei euch liegt?

Recker: (nimmt sich die Korken aus den Ohren)
Wer ist das?

Gänseblümchen:
Das ist die Ponis.

Recker:
Was ist denn los?

Gänseblümchen:
Sie haben die Liste mit den Tagesordnungspunkten nicht.

Recker:
Da kommen sie jetzt erst dahinter? Sie tagen doch schon eine Ewigkeit! Geben Sie mir das Telefon..... Frau Ponis? Geben Sie mir den Mol mal ran! Danke.....

Mol: (nimmt den Hörer)
Es ist auch immer ein Saustall hier!

Recker:
Jetzt sagen Sie bloß, Sie werden in Ihrem Alter schon senil! Das ist ja eine schöne Geschichte, wirklich wahr! Können Sie sich nicht mehr erinnern, was wir gestern besprochen haben?

Mol:
Nein, wieso? Was denn?

Recker: (regt sich immer mehr auf)
Wir haben besprochen, dass wir heute keine Tagesordnungspunkteliste brauchen. Wir haben nur einen Tagesordnungspunkt und der heißt.....na ja, Sie wissen ja schon, wen ich meine. Das wäre ja noch schöner, wenn wir wegen eines Tagesordnungspunktes eine Tagesordnungspunkteliste aufstellen würden. Oder wollen Sie auch noch mehrere Tagesordnungspunktelisten? Wie wäre es denn mir zwei Tagesordnungspunktelisten? Oder gar mit neun Tagesordnungspunktelisten? Dass hieße ja, dass jeder eine eigene Tagesordnungspunkteliste hätte! Glauben Sie denn, wir in der Direktion haben nichts anderes zu tun, als uns um Ihre Tagesordnungspunktelisten zu kümmern?

Mol:
Entschuldigen Sie, jetzt, wo Sie es sagen, fällt`s mir wieder ein.

Recker:
Es ist auch immer ein Saustall hier!
(legt auf. Zu Gänseblümchen) Jetzt hören Sie mal auf mit Ihren Gesangsübungen und gehen Sie an die Arbeit!

Gänseblümchen:
Es gibt nichts zu tun.

Recker:
Machen Sie Kaffee und bringen Sie ihn nach nebenan.

Gänseblümchen:
Die sind doch schon längst am Wein!

Recker:
Tun Sie in Gottes Namen irgend etwas! Irgend etwas anderes als singen, verdammt noch mal!

(Das Licht geht aus)
Die Musik geht leise weiter
(Gänseblümchen fängt wieder an, leise zu singen)

Recker:
Verflucht, wo sind meine Korken?!

Gänseblümchen:
Hier sind sie.

Recker:
Stopfen sie sich zur Abwechslung selbst in die Ohren! Und seien Sie endlich still!

Die Musik hört auf

Gänseblümchen:
Fertig.

Recker:
Hören Sie mich noch? Nein? Na schön..... Der Mensch ist doch ein merkwürdiges Wesen. Zum Beispiel Gänseblümchen. Sie steht meiner Meinung nach unter größtmöglichem hormonalem Druck und was macht sie? Sie leidet und ist restlos glücklich! Das nennt sie dann privat! Unglaublich! Der Teufel soll mich holen!

(Der Geist und der Erzähler treten auf, der letztere wieder im Luzifer-Kostüm)

Der Geist:
Wenn du das so hörst, wärst du dann nicht lieber Luzifer im Frack anstatt der Erzähler im Luzifer-Kostüm?

Der Erzähler:
Nein, danke. Meiner Meinung nach ist Luzifers wirkliche Strafe die, dass er irgendwann mit jedem, aber dann auch mit jedem zu tun bekommt. Mir genügen die Leute, die ich kenne, vollauf, um mich regelmäßig an den Rand des Wahnsinns zu treiben!

Der Geist:
Wir können uns da drüben auf die Bank setzen und kurz ausruhen. Vielleicht kommt wieder etwas Musik.

(Beide setzen sich am Rande der Bühne auf eine Bank)

Zwischenspiel

 


 

 

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